15.05.2017 AG Hersfeld: Weitergabe von Kontaktdaten an Whatsapp unzulässig

Oder: Das passiert, wenn ein Richter Datenschutz ernst nimmt.

Im Rahmen eines Sorgerechtsstreits um den Umgang eines Minderjährigen mit einem Smartphon, insbesondere der App „Whatsapp“ hat ein Richter, soweit wir das beurteilen können, erstmalig technisch korrekt Datenschutz eingefordert.

Er führt aus, dass die Nutzungsbedingungen von Whatsapp die ständige Datenweitergabe sämtlicher in dem Smartphone (oder anderer Geräte auf dem die App betrieben wird) gespeicherter Kontaktdaten erlauben, dem Nutzer aber Pflicht übertragen wird, zu versichern, dass eine entsprechende Einwilligung sämtlicher Personen, über die Daten auf dem Smartphone gespeichert sind, vorzuweisen hat.

Hand aufs Herz: Wer macht sich darüber Gedanken?

Datenschutzrechtlich ist das aber vollkommen korrekt. Zunächst muss die Frage geklärt werden, ob die Einwilligungen aller Personen zur Speicherung Ihrer persönlichen Daten auf dem Gerät vorliegt. Danach muss gefragt werden, ob diese Einwilligung auch die Weitergabe der gespeicherten Daten an Dritte erfasst. Dies ist genau die Bedingung, die Whatsapp voraussetzt (um selbst aus der Haftung zu kommen). Die Mutmaßung, dass diese Voraussetzung in den wenigsten Fällen vorliegen wird, liegt auf der Hand.

Letztlich, so Whatsapp, sichert der Nutzer genau diese Einwilligung(en) gegenüber Whatsapp zu. Liegt die tatsächliche Einwilligung (so wahrscheinlich in den meisten Fällen) nicht vor, begeht der Nutzer eine unerlaubte Handlung, da er persönliche Daten Dritter (an Whatapp also Facebook) weitergibt. Damit verletzt er das Persönlichkeitsrecht des Dritten, dessen Daten weitergegeben werden. Dies ist eine unerlaubte Handlung, die eine kostenauslösende Abmahnung des ins einen Persönlichkeitsechten verletzten Dritten auslösen kann.

Im vorliegenden Fall wurde der Mutter aufgeben, sich „smart“ weiterzubilden. Ihr wurde vorgeworfen, durch die Überlassung des Smartphones und der Zulassung der Nutzung von Whatsapp durch ihren Sohn ohne Beachtung der datenschutzrechtlichen Persönlichkeitsrechte der Personen aus den Kontaktdaten des (minderjährigen) Sohnes, dessen Vermögen gefährdet zu haben. Durch die Zulassung der Nutzung der Applikation (Whatsapp) bestehe die konkrete Gefahr, dass einer der Personen, dessen persönlichen Daten in den Kontakten des Smartphones gespeichert sind, den Sohn kostenpflichtig abmahnen.
Ausblick: Das Urteil kann sich wie eine Welle durch die Rechtsprechung wälzen. Die datenschutzrechtliche Relevanz der Nutzung von Massagerdiensten ist den wenigsten Nutzern auch nur annähernd bekannt. Bisher konnte man sich darauf verlassen, dass die mit derartigen Vorgängen beschäftigten Gerichte mangels Sachverständnis Urteile vermieden haben. Ob dies so bleibt, ist zu bezweifeln.

Quelle: Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank AG Bad Hersfeld vom 15.05.2017 (F 120/17 EASO)
Anm.: Rechtsanwalt Frank Heinemann, Lippstadt



01.04.2017: AÜG Neuregelungen

Ab dem 01.04.2017 tritt die Neuregelung des Arbeitnehmerüberlassungsrechts in Kraft. Die wesentliche Änderung besteht darin, dass wieder eine Überlassungshöchstdauer eingeführt wurde, während die Gleichstellung (equal treatment / equal pay) modifiziert beibehalten wurde.

Die Überlassungshöchstdauer ist auf 18 Monate beschränkt. Diese Regelung ist mit einer Tariföffnungsklausel versehen. Wie in den bisherigen Öffnungsklauseln bereits können sich auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber an einen Tarifvertrag anhängen, dann, und das ist neu, ist die Überlassungshöchstdauer aber auf maximal 24 Monate begrenzt.

Die vollkommene Gleichstellung (Leiharbeitnehmer / Stammarbeitnehmer) ist ab dem 9. Monat Überlassung vorgesehen. Neu wird eine gesetzliche Vermutung dahingehend eingeführt, dass, wenn Tarifverträge der Einsatzbranche Arbeitnehmerüberlassung regeln, und sich der Verleiher daran hält, die Gleichstellung vermutet wird.

Auch hinsichtlich der Gleichstellung gibt es eine Tariföffnungsklausel, hinsichtlich des Arbeitsentgelts beschränkt auf die jeweiligen Mindestentgelte.

Die Gleichstellung muss allerdings hinsichtlich des Arbeitsentgelts (equal pay) nach 9 Monaten erreicht sein. Auch hier kann unter Anwendung der Tariföffnungsklausel eine Gleichstellung im Arbeitsentgelt herausgeschoben werden bis zum 15. Überlassungsmonat, vorausgesetzt, nach spätestens 6 Wochen Überlassung findet eine „Heranführung“ an die Gleichstellung statt.

Sowohl hinsichtlich der Überlassungshöchstdauer, als auch hinsichtlich der Gleichstellung werden die Uhren bei mindestens dreimonatiger Unterbrechung wieder auf „Null“ gestellt.

Darüber hinaus wurde die „rote Karte“ für diverse Überlassungsmodelle flankiert durch diverse Sanktionen, gezogen. So wird erstmals normiert, dass der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag als solcher konkret zu bezeichnen ist (Offenbarungspflicht). Ebenso ist die Person des verliehenen Arbeitnehmers konkret zu benennen (Konkretisierungspflicht). Dahinter steht, dass hinsichtlich der Überlassungshöchstdauer nunmehr auch die Überlassung durch einen dritten Verleiher im gleichen Einsatz mit anzurechnen ist.

Zudem wird eine Möglichkeit geschaffen, die zivilrechtliche Sanktion beim Unwirksamkeit der Arbeitnehmerüberlassung (Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer) zu beseitigen. Durch eine „Festhaltenserklärung“ kann der Leiharbeitnehmer erklären, dass er beim Verleiher bleiben will.

Wie immer sind die Religionsgemeinschaften und natürlich auch der öffentliche Dienst außen vor.

Anmerkung:
Die Neuregelung ist eine Kompromisslösung mit Ecken und Kanten. So ist beispielsweise ungeklärt, was unter der „mindestens dreimonatigen“ Unterbrechung zu fassen ist (Urlaub, Krankheit, Freizeitausgleich?). Dass die Tariföffnungsklauseln die Normsetzungsbefugnis auf die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche verschiebt, und dabei „gesetzliche Vermutungen“ entstehen lassen, öffnet dem Missbrauch Tür und Tor. Letztlich stehen sich zwei Interessen gegenüber, die nicht in Einklang zu bringen sind. Das Interesse der Arbeitnehmerüberlassungsbranche ist auf die Marge gerichtet. Dazu ist die Gleichstellung vollkommen kontraproduktiv. Dies zeigen die Erfahrungen seit der Einführung des Gleichstellungsgesichtspunktes seit dem 01.01.2004. Wohl nur ein verschwindend geringer Prozentsatz der in der Arbeitnehmerüberlassung Tätigen wurde bisher auch nur mit annähernd gleichen Entgelt versehen wie der verdrängte Stammarbeitnehmer. Auch durch die Branchentarifverträge wurde keineswegs eine Anpassung an das Entgeltniveau der Stammarbeitnehmer erreicht. Diese werden allerdings jetzt zum Heilsbringer über die neu eingeführte „gesetzliche Vermutung“. Wie in der Vergangenheit ist zu erwarten, dass die Branche die ihr zur Verfügung gestellten Möglichkeiten, wie auch bisher, vollständig ausnutzen wird um die Gleichstellung letztlich zu verhindern.

Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt



Top