29.09.2020: BAG: Verjährung von Urlaubsansprüchen?

Die Frage, ob der bezahlte Jahresurlaub der Verjährung unterliegt, hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts – im Folgenden BAG – als Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH vorgelegt.

Zugrunde lag ein Fall einer Steuerfachangestellten, deren Arbeitgeber schriftlich bestätigt hatte, dass Ihr Jahresurlaub aus den Jahren 2011 und Vorjahren in Höhe von 76 Tagen am 31.03.2012 aufgrund außerordentlichen Arbeitsaufwandes nicht habe antreten können, nicht verfalle. Das Arbeitsverhältnis endete zum 31.07.2017. Der Arbeitgeber gewährte in den Jahren 2012 bis 2017 insgesamt 95 Tage Urlaub. Unstreitig besteht eine Jahresurlaubsanspruch von 24 Tagen. Die Klägerin macht (im Jahr 2018) insgesamt Urlaubsabgeltung für 101 Tage geltend. Im Verlauf des Prozesses erhebt der Arbeitgeber die Einrede der Verjährung.

Das LAG Düsseldorf hat der Klägerin 76 Tage Urlaubsabgeltung für den Zeitraum 2013 bis 2016 zugesprochen.

Für das BAG war entscheidungserheblich, ob der Urlaub aus den Jahren 2014 oder früher, der Verjährung unterliegt. Verfallen konnte der Anspruch aufgrund § 7 Abs. 3 BurlG nicht. § 3 Abs. 7 BurlG ist europarechtlich so auszulegen, dass der Arbeitgeber gehalten ist, den Arbeitnehmer auf den möglichen Verfall nicht genommenen Urlaubs nach Ablauf des Übertragungszeitraum rechtzeitig im Urlaubsjahr hinzuweisen. Diese Obliegenheit hatte der Arbeitgeber nicht erfüllt. Die Frage, ob der nicht verfallene Urlaub der Verjährung unterliegt, muss nunmehr der EuGH klären.

Quelle: Pressemitteilung Nr. 34/20 zu Beschluss BAG 29.09.2020 – 9 AZR 266/20 (A)

Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt



25.06.2020 AG: Fehlende Einladung eines Schwerbehinderten zum Vorstellungsgespräch

Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts - im Folgenden BAG - hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in welchem ein Schwerbehinderter Schadenersatz geltend machte, weil er nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war. Im Zuge des Schwerbehindertenschutzes sind öffentliche Arbeitgeber gezwungen, schwerbehinderte Bewerber auf eine Stelle zumindest zum Vorstellungsgespräch einzuladen. Wird dies unterlassen, so entsteht ein Schadenersatzanspruch (hier in der alten Fassung des § 82 SGB IX).

Hier gab es allerdings einige Besonderheiten. Es handelte sich um eine interne Ausschreibung zweier identischer Stellen in verschiedenen Dienststätten. Der Kläger hatte sich auf beide Stellen beworben, war aber nur zu einem Personalgespräch geladen worden, bei dem ihm mitgeteilt wurde, dass die Ergebnisse dieses Gesprächs in die andere Bewerbung mit einfließen würden. Der Kläger wurde in beiden Stellen abgelehnt und begehrte nun Schadenersatz wegen des ausgefallenen Personalgesprächs.

Erstinstanzlich verlor er, zweitinstanzlich wurde ihm Schadenersatz in Höhe von einem Bruttomonatsentgelt der nicht zur Verfügung gestellten Stelle zugesprochen. Hiergegen wehrte sich die Behörde mit der Revision zum BAG.
Der achte Senat gab dem Kläger insoweit Recht, dass auch bei einer internen Stellenausschreibung die Einladung zum Gespräch verpflichtend ist. Jedoch hatte die Behörde mit ihrem Hinweis, dass die Ergebnisse des erfolgten Personalgesprächs in das andere Bewerbungsverfahren einfließen würde, diesem Umstand Genüge getan, so dass ein weiteres Bewerbungsgespräch nicht notwendig sei.

Anmerkung:
Wie eigentlich immer, wird mit Schadenersatzansprüchen dieser Art gern kurzer Prozess gemacht, schon um Nachahmer abzuschrecken. Hier liegt die Besonderheit darin, dass ein Personalgespräch für beide Bewerbungsverfahren genutzt wurde und dieser Umstand auch an den Kläger kommuniziert wurde.

Quelle: BAG Pressemitteilung Nr. 18/20 zu 8 AZR 75/19 vom 25.06.2020
Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt



23.03.2020: Corona-Vorsorge bei uns

Im Rahmen der Corona-Epidemie bitten wir darum, auf jeden Fall telefonisch Kontakt mit uns aufzunehmen, bevor Sie uns aufsuchen. Nur so können wir durch die Koordinierung von Terminen Ihre Gesundheit schützen.

Alle sind derzeit aufgefordert, restriktive Maßnahmen zu ergreifen, um Kontakte zu anderen Personen weitestgehend einzuschränken. Wir sind weiterhin für Sie, wenn zwingend notwendig, auch direkt ansprechbar. Gleichzeitig wollen und müssen wir den Kontakt zwischen Personen so weit wie möglich ausschließen. Dies kann nur gelingen, wenn wir Mandantentermine so koordinieren, dass diese sich nicht bei uns treffen. Die Koordination der Termine setzt voraus, dass Sie zuvor mit uns Kontakt aufnehmen.

Wir sind auch in diesen schweren Zeiten für Sie da. Bitte sehen Sie davon ab, uns ohne vorherige Terminabsprache aufzusuchen.
Rechtsanwälte Klein und Heinemann, Lippstadt



18.03.2020 BAG: Vergütung von Fahrzeiten – Außendienstmitarbeiter –

Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat entschieden, dass einem Arbeitnehmer im Außendienst durch Betriebsvereinbarung keine tariflichen Rechte vorenthalten werden können. Die Vorinstanzen hatten abweichend entschieden.
Im Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag kraft dynamischer Verweisung im Arbeitsvertrag Anwendung, der vorsieht, dass sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht erbringt mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind. Der Tarifvertrag sah keinerlei Öffnungsklausel vor, die es den Betriebsparteien ermöglicht hätte, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen (keine Öffnungsklausel).

Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen eine Betriebsvereinbarung, die vorsah, dass die Anfahrtszeiten zum ersten und die Abfahrtzeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, sofern sie 20 Minuten nicht überschreiten. Infolge der Anwendung der Betriebsvereinbarung wurden dem Kläger diese Zeiten nicht ins Arbeitszeitkonto eingestellt. Dagegen weht sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, letztlich erst- und zweitinstanzlich erfolglos, beim BGH aber erfolgreich.

Die tarifliche Regelung erfasse auch die ersten 20 Minuten der ersten Anfahrt und der letzten Abfahrt zum/vorm Kundenbetrieb. Der Tarifvertrag sieht keine Regelung vor, die es Arbeitgeber und Betriebsrat ermöglicht, eine abweichende Regelung zu schaffen.
Damit besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 BetrVG, da hierfür Voraussetzung ist, dass dem Arbeitgeber ein Handlungsspielraum verbleiben muss, innerhalb dessen er überhaupt in der Lage ist eine Regelung zu treffen. Ein solcher Spielraum verblieb dem Arbeitgeber aber aufgrund der tariflichen Regelung und dessen Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis nicht. Im Ergebnis gab es daher auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 BetrVG.

Der Senat greift dann noch die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG auf, aus dem sich ergibt, dass tariflich geregelte Arbeitsbedingungen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Aus Sicht des Unterzeichners bedurfte es dieses Rückgriffs nicht mehr, da sich bereits aus dem Eingangssatz dem § 87 Abs. 1 1. HS BetrVG ergibt, dass für Mitbestimmung des Betriebsrats nur dort Raum bleibt, wo eine abschließende tarifliche Regelung nicht existiert.
Quelle: Pressemitteilung BAG Nr. 12/20 vom 18.03.2020 zu - 5 AZR 36/19 –
Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt



Top