18.03.2020 BAG: Vergütung von Fahrzeiten – Außendienstmitarbeiter –

Der 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) hat entschieden, dass einem Arbeitnehmer im Außendienst durch Betriebsvereinbarung keine tariflichen Rechte vorenthalten werden können. Die Vorinstanzen hatten abweichend entschieden.
Im Arbeitsverhältnis fand ein Tarifvertrag kraft dynamischer Verweisung im Arbeitsvertrag Anwendung, der vorsieht, dass sämtliche Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer in Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht erbringt mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind. Der Tarifvertrag sah keinerlei Öffnungsklausel vor, die es den Betriebsparteien ermöglicht hätte, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen (keine Öffnungsklausel).

Arbeitgeber und Betriebsrat schlossen eine Betriebsvereinbarung, die vorsah, dass die Anfahrtszeiten zum ersten und die Abfahrtzeiten vom letzten Kunden nicht zur Arbeitszeit zählen, sofern sie 20 Minuten nicht überschreiten. Infolge der Anwendung der Betriebsvereinbarung wurden dem Kläger diese Zeiten nicht ins Arbeitszeitkonto eingestellt. Dagegen weht sich der Kläger mit der vorliegenden Klage, letztlich erst- und zweitinstanzlich erfolglos, beim BGH aber erfolgreich.

Die tarifliche Regelung erfasse auch die ersten 20 Minuten der ersten Anfahrt und der letzten Abfahrt zum/vorm Kundenbetrieb. Der Tarifvertrag sieht keine Regelung vor, die es Arbeitgeber und Betriebsrat ermöglicht, eine abweichende Regelung zu schaffen.
Damit besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 BetrVG, da hierfür Voraussetzung ist, dass dem Arbeitgeber ein Handlungsspielraum verbleiben muss, innerhalb dessen er überhaupt in der Lage ist eine Regelung zu treffen. Ein solcher Spielraum verblieb dem Arbeitgeber aber aufgrund der tariflichen Regelung und dessen Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis nicht. Im Ergebnis gab es daher auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 BetrVG.

Der Senat greift dann noch die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG auf, aus dem sich ergibt, dass tariflich geregelte Arbeitsbedingungen nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. Aus Sicht des Unterzeichners bedurfte es dieses Rückgriffs nicht mehr, da sich bereits aus dem Eingangssatz dem § 87 Abs. 1 1. HS BetrVG ergibt, dass für Mitbestimmung des Betriebsrats nur dort Raum bleibt, wo eine abschließende tarifliche Regelung nicht existiert.
Quelle: Pressemitteilung BAG Nr. 12/20 vom 18.03.2020 zu - 5 AZR 36/19 –
Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt

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