06.11.2018 EuGH: Urlaubsanspruch bleibt trotz fehlenden Urlaubsantrags

Der Europäische Gerichtshof entschied in zwei Fällen, dass – entgegen den bisherigen deutschen Gepflogenheiten - der Urlaubsanspruch nicht erlischt, sofern er nicht beantragt wurde.

Bisher galt, wer seinen Urlaub hätte nehmen können, diesen aber nicht beantragt hat, verlor seinen Urlaubsanspruch.
Zugrunde lagen zwei Rechtssachen:
Ein Rechtsreferendar aus Berlin beantragte die Auszahlung seines nicht genommenen Urlaubs am Ende des Vorbereitungsdienstes. Das Land lehnte ab. Die Klage ging zum Verwaltungsgericht Berlin und in der Berufungsinstanz zum OVG Berlin-Brandenburg, welches die Frage dem EuGH vorlegte (§ 9 der Verordnung über den Erholungsurlaub der Beamten und Richter vom 26.04.1988).
Ein Angestellter nahm seinen Urlaub nicht in Anspruch und verlangte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abgeltung, was der Arbeitgeber ablehnte. Der Fall ging durch die Instanzen und wurde vom Bundesarbeitsgericht dem EuGH vorgelegt (§ 7 BUrlG).

Das EuGH prüfte die Vereinbarkeit der vorbenannten Normen mit europäischem Recht (RL 2003/88/EG - ABl. 2003, L 299, 9 sowie die Charta der Grundrechte der EU) und kam zu dem Ergebnis, dass ein Arbeitnehmer seinen Anspruch auf finanzielle Vergütung nicht schon dadurch verliert, das er keinen Urlaub beantragt hat.
Derartige Ansprüche können nur dann untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach angemessener Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen. Die Beweislast liege beim Arbeitgeber.
Der EuGH argumentiert mit dem strukturellen Ungleichgewicht der Vertragspartner der Arbeitsvertragsparteien. Der Arbeitnehmer könne Gefahr laufen, durch das Einfordern seiner Rechte (hier Urlaub) Maßnahmen des Arbeitsgebers ausgesetzt zu sein, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Es gäbe auch keine unterschiedliche Bewertung zwischen öffentlichem und privatem Arbeitgeber.
Unionsrecht stünde dem Untergang der Ansprüche allerdings dann nicht entgegen, wenn der Arbeitnehmer aus freien Stücken in voller Kenntnis der Sachlage seinen Urlaubsanspruch nicht zu nehmen, obwohl er dazu in die Lage versetzt war (was der Arbeitgeber zu beweisen hätte).
Anmerkung: Einmal mehr durchbricht Unionsrecht nationales Recht. Arbeitgeber werden zukünftig deutlicher darauf achten müssen, dass Arbeitnehmer ihren Urlaubsanspruch entsprechend „abfeiern“. Ein fehlender Urlaubsantrag führt jedenfalls nunmehr im Regelfall nicht mehr zu Verfall des Anspruchs. Die Entscheidung betrifft den gesetzlichen Mindesturlaub (4 Wochen).
Quelle. EuGH Pressemitteilung Nr. 165/18 zu den Rechtssachen C-619/16 (Kreuziger ./. Land Berlin) und C684/16 Max-Planck-Gesellschaft e. V. ./. Shimizu) vom 06.11.2018
Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt

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