20.04.2021: Was tun, wenn ein Arbeitnehmer sich nicht testen lassen will?

Eine Corona Schnelltest Angebotspflicht für Arbeitgeber, wie er jetzt in der neuen Arbeitsschutzverordnung festgeschrieben wird führt in der Praxis immer wieder zu dem Problem, dass der Test-Angebots-Pflicht seitens der Arbeitgeber keine Testpflicht der Arbeitnehmer gegenübersteht.
Die überwiegende Zahl der Arbeitnehmer nimmt die Testangebote an, doch einzelne sind nicht bereit den Test durchführen zu lassen. Wie kann der Arbeitgeber reagieren?

In einigen Bereichen ist eine Testpflicht angeordnet. Hier in NRW sind das beispielsweise die Lehrer und Schüler im Präsensunterricht (§ 1 Abs 2b Coronabetreuungsverordnung NRW). Besteht eine gesetzlich angeordnete Testpflicht für die Arbeitnehmer, so wird der Arbeitgeber, der sich weigert, sich testen zu lassen, kein ordnungsgemäßes Angebot seiner Arbeitskraft erbringen mit der Folge, dass auch die Entgeltzahlungspflicht des Arbeitgebers entfällt. Der Arbeitgeber kann darüber hinaus das komplette Arsenal arbeitsrechtlicher Konsequenzen ziehen. Das bedeutet, dass eine Kündigung nach Abmahnung hier erfolgversprechend sein dürfte.

Wo eine Testpflicht für den Arbeitnehmer nicht angeordnet ist, kommen widerstreitende Interessen ins Spiel: Auf Arbeitnehmerseite ist der Test immer ein körperlicher (medizinischer) Eingriff, der seiner Einwilligung bedarf. Auf der anderen Seite ist der Arbeitgeber dafür verantwortlich, dass in seinem Betrieb auch die anderen Arbeitnehmer geschützt sind. Zudem ist sei Interesse drauf gerichtet, einen Infektionsfall in seinem Betrieb zu vermeiden.
Eine Einzelfallabwägung ist in jedem Fall vorzunehmen.
Verallgemeinernd wird man allerdings das Überwiegen des Arbeitgeberinteresse in folgenden Fällen bejahen müssen:
 Ein testresistenter Arbeitnehmer erscheint mit Erkältungssymptomen oder hatte er Kontakt zu einer Corona positiv bestätigten Person.
 Mindestabstände / Mindestflächen können nicht eingehalten werden.
 Der Mitarbeiter hat Kontakt zu Risikogruppen.
 Der Mitarbeiter hat Kontakt zu Kunden.
 Der Arbeitnehmer muss in einen Kundenbetrieb, der nur getestete Personen einlässt.

Schwieriger wird die Beurteilung in folgenden Fällen:
(Es wird davon ausgegangen, dass die Arbeitnehmer keinerlei Kundenkontakt haben.)
Beispiel 1:
Der testresistente Arbeitnehmer sitzt in einem Büro mit drei weiteren Arbeitnehmern. Das Büro ist in kleiner, als es der vorgegebenen Größe für Personen entspricht (Bspw. 10 qm pro Person). Hier ist bereits das „Maske tragen“ Pflicht.
M. E. geht der Gesundheitsschutz der drei Kollegen hier vor, so dass ein Anordnungsrecht seitens des Arbeitgebers zu bejahen ist.
Beispiel 2:
Der testresistente gewerbliche Arbeitnehmer befindet sich in einer Montagehalle, welche ausreichend groß ist. Er arbeitet grundsätzlich allein. Zur Arbeitsausführung werden Anweisung vom Vorarbeiter erteilt. Die Qualitätssicherung schaut hin und wieder vorbei.
Hier wird die Beurteilung schwieriger. Könnte der Arbeitgeber den Arbeitsplatz so gestalten, dass der direkte Kontakt zu Kollegen vermieden werden kann, dann wäre ein Anordnungsrecht zu verneinen.
Beispiele 3:
Eine testresistente Mitarbeiterin hat ihr eigenes Büro, könnte Homeoffice machen, will dies aber nicht. Das Büro ist gut zu lüften und wird nur von ihr betreten.
Hier könnte man, wie im Fall 2, davon ausgehen, dass sämtliche Kontakte auch bei der Arbeit im Büro vermieden werden können. Die Weigerung im Homeoffice zu arbeiten könnte hier ebenfalls eine Rolle spielen. In einer Entscheidung aus 2018 hat das LAG Berlin Brandenburg (10.10.2018, 17 Sa 562/18) die einseitige Zuweisung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer im Homeoffice zu arbeiten abgelehnt. Das LAG argumentierte, dass die Arbeitsplätze im Büro und zu Hause so grundsätzlich verschieden sind, dass der Arbeitgeber nicht durch einseitige Zuweisung den Arbeitsort ins Homeoffice ändern kann. Im Fall war der Betrieb geschlossen worden. Der Arbeitgeber kündigte zu Unrecht, so das LAG. Ob die Entscheidung anlässlich der Corona Pandemie noch so getroffen würde, halte ich für zweifelhaft. Spätestens mit der Änderung der Arbeitsschutzverordnung mit Homeoffice Angebotspflicht für Arbeitgeber ist die Position des LAG von damals nicht mehr haltbar.

In allen drei Fällen ist allerdings zu überlegen, wo Begegnungen mit anderen Personen stattfinden (Weg zum Arbeitsplatz, Kantine, Umkleiden etc.). Kommt man zu dem Ergebnis, dass Begegnungen unvermeidlich sind, wird das Ergebnis der Abwägung in allen Fällen dahin führen müssen, dass das Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung eines Infektionsfall schon deswegen überwiegt.

Im Ergebnis wird man daher derzeit (Pandemie) in vielen Fällen begründet zu dem Ergebnis kommen, dass ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers (sich testen zu lassen oder selbst zu testen) zu bejahen ist.
Frank Heinemann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Stand 21.04.2021

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