16.10.2019 BAG: Abweichung vom „equal-pay-Grundsatz“ nur bei vollständiger Inbezugnahme auf entsprechenden Tarifvertrag

Der 4. Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) stellt klar, dass, will der Arbeitnehmerüberlasser (Verleiher) seinen Arbeitnehmer anders, nämlich schlechter als den Stammarbeitnehmer (beim Entleiher) bezahlen, dieser die Tariföffnungsklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vollständig erfüllen muss. Das AÜG geht von dem Grundsatz aus, dass der verliehene Arbeitnehmer grundsätzlich das Arbeitsentgelt (eigentlich die Arbeitsbedingungen im Ganzen) zu erhalten hat, wie der Arbeitnehmer, dessen Stammarbeitsplatz er im Fremdunternehmen übernimmt (equal-pay / equal-treatment Grundsatz).
Von diesem Grundsatz kann der verleihende Arbeitgeber abweichen, wenn er im jeweiligen Geltungsbereich eines Arbeitnehmerüberlassungstarifvertrag, dessen Geltung mit dem Arbeitnehmer vereinbart, also die Tariföffnungsklausel aus dem AÜG nutzt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Geltung des Tarifvertrages „als Ganzes“ vereinbart wird, andernfalls, so die Systematik des AÜG, ist die Ausnahme zur Regel (Grundsatz equal treatment / Gleichbehandlung) nicht eröffnet.

Hier muss man folgenden Gedanken zugrunde legen: Das AÜG dient dem Arbeitnehmerschutz und setzt als Mindeststandart die Arbeitsbedingungen des verdrängten Stammarbeitnehmers beim Entleiher. Besteht ein entsprechender Tarifvertrag, besteht die Möglichkeit, diesen durch Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer in Bezug zu nehmen; also dessen Regelungen als verbindlich zu vereinbaren. Diese Regelungen sind zumeist schlechter als die Arbeitsbedingungen beim verdrängten Stammarbeitnehmer.
Letztlich verbleibt dann aber keine Möglichkeit noch weitere Vereinbarungen einzelvertraglich zu schließen, die dann noch wieder von der jeweiligen Regelung im Tarifvertrag zu Lasten des Arbeitnehmers abweichen. Eine solche Möglichkeit sieht die Tariföffnungsklausel im AÜG nicht vor.

Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber aber nicht nur die Geltung eines entsprechenden Tarifvertrag (DGB / iGZ) im Arbeitsvertrag mit dem Arbeitnehmer vereinbart, sondern darüber hinaus auch abweichende, den Arbeitnehmer schlechter stellende Regelungen arbeitsvertraglich vereinbart (hier eine Ausschlussklausel, die darüber hinaus noch unwirksam ist). Damit ist die Ausnahme, Anwendung des entsprechenden Tarifvertragswerks wirksam vereinbaren, nicht erfüllt mit dem Ergebnis, dass wieder der Grundsatz „equal-treatment / Gleichbehandlung“, gilt.

Anm: In der Arbeitnehmerüberlassung ist peinlich genau auf sämtliche Formulierungen in den Arbeitsverträgen zu achten. Schon die Inbezugnahmeklausel, also die Vereinbarung, mit der das entsprechende Tarifwerk als geltende Regelung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird, bedarf der sorgfältigen Formulierung. Der entschiedene Fall zeigt, dass hier seit der Einführung des Gleichbehandlungsgrundsatzes Anfang 2004, die Formulierung der hier verwendeten Arbeitsverträge sinnvollerweise in die Hand von darauf spezialisierten Anwälten gehört.

Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 33/19 zu BAG 16.10.2019 – 4 AZR 66/18 –
Frank Heinemann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt

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