14.05.2019 EuGH: Arbeitszeiten müssen gemessen werden!
Die Spanische Gewerkschaft (CCOO) wollte legte beim dortigen Nationalen Gerichtshof (Audencia Nationale) festgestellt wissen, dass die Deutsche Bank SAE verpflichtet sei, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten. In Spanien sei der Arbeitgeber verpflichtet, den Gewerkschaften Angabe über die monatlich geleisteten Überstunden zu übermitteln. Ferner sei die Kontrolle von Arbeitnehmerschutzvorschriften (Höchstarbeitszeiten / Pausen / Ruhezeiten) ohne ein solches System nicht möglich. Die Verpflichtung zur Einführung eines Systems zur Arbeitszeiterfassung ergebe sich sowohl aus nationalen Vorschriften, als auch aus der Charta der Grundrechte der EU (Charta).
Der Arbeitgeber beharrt auf dem Standpunkt, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung Spaniens lediglich eine Verpflichtung zur Führung eines Überstundenverzeichnisses und der Übermittlung der Zahl der geleisteten Überstunden zum jeweiligen Monatsende besteht.
Der EuGH sieht einen Verstoß sowohl gegen die Charta (im Lichte der Charta), als auch gegen die Arbeitszeitrichtlinie (RL 2003/88 des Europäischen Parlament und des Rates vom 04.11.2003 ABL 2003, L 299, S. 9) und die Richtlinie über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeitnehmer bei der Arbeit (RL 89/291/EWG des Rates v. 12.06.1989 (ABl. 1989, L 183, S. 1).
Neben den vorbenannten Standpunkten problematisiert er die Problematik, dass es ohne ein derartiges System zur Arbeitszeiterfassung den Arbeitnehmern erschwert würde, Entgeltansprüche wegen Mehrarbeit durchzusetzen. Ohne ein System der Messung der individuellen Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers und dessen Dokumentation die seien die Vorgaben zum Arbeitnehmerschutz (Gesundheit / Arbeitssicherheit) nicht gewährleistet. Ein jedes Mitgliedsland habe sicherzustellen, dass ein derartiges System bestehe. Zudem liefere nur ein solches System beweissichere Daten zur Prüfung der Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes.
Anmerkung: Arbeitgeber sollten sich im Lichte dieser Entscheidung vor Augen führen, dass Modelle wie „Vertrauensarbeitszeit“, bei denen eine Arbeitszeiterfassung tatsächlich nicht mehr erfolgt, wohl künftig problematisch sein werden. Auch im Bereich „Home Office“ etc. wird sich die Frage stellen, was denn konkret als Arbeitszeit aufzufassen ist. So stellt sich z. B. die Frage, ob die Beantwortung einer (natürlich dienstlichen) Email zu nachtschlafender Zeit bei erfolgten Tagespensum als Arbeitszeit zu werten ist (Problem Ruhezeit). Auch die kreativen Köpfe, denen letztlich vom Chef die Arbeitszeitgestaltung vollkommen in die eigenen Hände gelegt wird, müssen sich mit dem Thema Arbeitszeit auseinandersetzen. Der Gesetzgeber ist gefordert. Dieser hat zunächst ein Gutachten in Auftrag gegeben…..
Quelle: Pressemitteilung des EuGH Nr. 61/19 vom 14.05.2019 (Urteil: C-55/18 CCOO / Deutsche Bank SAE)
Anmerkungen: Frank Heinemann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt