20.02.2019 BAG: Kündigung des Chefarztes eines kath. Krankenhauses wegen Wiederverheiratung

Das 2. Senat des BAG hat entschieden, dass ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses wegen seiner Wiederheirat nicht gekündigt werden kann. Der „Loyalitätsverstoß“ keine den Glaubenssätzen der katholischen Kirche wiedersprechende (2.) Ehe einzugehen, weise keinen inneren Zusammenhang zur Tätigkeit des Chefarztes auf.

Der Fall:
Ein Chefarzt eines katholischen Krankenhauses war nach katholischem Ritus verheiratet und heiratete nach Scheidung erneut standesamtlich (2008). Der Arbeitgeber sah darin einem „schwerwiegenden Loyalitätsverstoß“ und sprach die Kündigung zum 30.09.2009 aus. Gegen diese Kündigung wendet sich der Chefarzt mit der Argumentation, dass er gegenüber nicht der katholischen Kirche angehörenden leitenden Angestellten ohne sachlichen Grund ungleich behandelt wurde (Verstoß gegen §§ 7 Abs. 2, § 1 4. Alt. AGG Merkmal: Religion).

Der Instanzenzug:
Die Vorinstanzen (Arbeitsgericht Düsseldorf 30.07.2009 – 6 Ca 2377/09 - und Landesarbeitsgericht Düsseldorf 01.07.2010 – 5 Sa 996/09) hatten der Klage jeweils stattgegeben. Der erkennende Senat des BAG hatte den EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vorgelegt, über welches der EuGH am 11.09.2018 (- C-68/17 -) entschieden hat. Der Arbeitgeber scheiterte letztlich nunmehr auch in der Revision vor dem BAG.

Die Begründung:
Das deutsche Arbeitsrecht sieht eine Ungleichbehandlung aus Gründen der „Religion“ (§ 1 Alt. 4 AGG) gem. § 7 Abs. 2 AGG als unwirksam an. Das deutsche AGG setzt die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie (2000/78/EU vom 27.11.2000) um. Im Vorabentscheidungsverfahren stellt der EuGH klar, dass die Charta der Grundrechte der EU jede Art der Diskriminierung wegen der Religion (…) als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts zwingenden Charakter hat und schon für sich allein dem Einzelnen ein Recht verleiht, (…) diese als solches geltend zu machen.

Das deutsche Recht eröffnet Religionsgemeinschaften das Recht in ihrem Bereich eigenständige Regelungen zu fassen (sog. „Dritter Weg“). Eine derartige Regelung stellt auch § 9 Abs. 2 AGG dar. Der Senat hatte daher zunächst im Vorabentscheidungsverfahren zu klären, ob eine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung über § 9 Abs. 2 AGG gegeben sein könnte. Der EuGH lehnt dies im vorliegenden Fall mit der Begründung ab, dass die Stellung als Chefarzt letztlich für „die Bekundung des zugrundeliegenden Ethos“ kaum relevant sein wird.
Wie vom EuGH aufgegeben, prüft der 2. Senat des BAG nunmehr diese Frage und stellt fest, dass die Loyalitätspflicht, keine nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der katholischen Kirche ungültige Ehe zu schließen

„im Hinblick auf die Art der Tätigkeiten des Klägers und die Umstände ihrer Ausübung keine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“

darstellt.

Anmerkung:
Ein langer Weg für eine im Ergebnis richtige Entscheidung. Da, wo der Glaube und die Religion keinen, oder nur einen geringen Zusammenhang zur eigentlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers aufweist, kann die Berufung auf den „dritten Weg“ nicht dazu führen, dass letztlich Arbeitnehmerschutzrecht ausgehebelt wird. Der Kläger verfährt hier äußerst geschickt, indem er den Weg über die Gleichbehandlung aller Arbeitnehmer wählt, wohl wissen, dass es bei seinem Arbeitgeber in leitenden Positionen auch nicht katholische Arbeitnehmer gibt, die demnach wegen fehlender Loyalitätsverpflichtung primär bei gleichem „außerdienstlichen“ Verhaltens auch nicht mit Sanktionen zu rechnen haben. So war die Ungleichbehandlung vorprogrammiert. Der verfolgte Weg war dann letztlich konsequent und zeigt, mit welcher Vehemenz die katholische Kirche an ihrem Sonderstatus festzuhalten gedenkt.

Im Ergebnis sagt der EuGH: Wenn wir eine Tätigkeit haben, die in der Nähe der Glaubenssätze vollzogen wird (Priester und ähnliches) dann muss der Sonderweg weiterhin gelten, andernfalls wäre die grundrechtlich geschützte Position der Religionsfreiheit nicht gewährleistet. Welche Distanz diese Nähe zu den Glaubenssätzen aufweisen muss, ist durch das nationale Gericht, hier das BAG, aufzuklären. Der 2. Senat kommt hier trennscharf zu der Erkenntnis: Chefarzt ist nicht Priester. Die Tätigkeit des Arztes kommt mit den Glaubenssätzen kaum in Berührung. Daher ist die Ungleichbehandlung (Kündigung) nicht gerechtfertigt und die Kündigung im Ergebnis nicht gerechtfertigt.

Wirtschaftlich ist der Prozess für den Arbeitgeber ein Desaster. Die Kündigung ist im Ergebnis unwirksam, mit der Folge, dass auch das Arbeitsverhältnis über den Kündigungszeitpunkt fortbesteht und durch den Arbeitgeber entsprechende Entgeltzahlungen für die gesamte Prozessdauer zu leisten sind.
Quelle: Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung Nr. 10/19 vom 20.02.2019 zu – 2 AZR 746/14
Frank Heinemann, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Lippstadt

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